In der Interview-Reihe „Und was wird man damit?“ erzählen GeisteswissenschaftlerInnen, die im Beruf stehen, jeden Dienstag aus ihrem Arbeitsalltag und was ihnen das Studium tatsächlich gebracht hat.
Seit ihn seine Eltern damals in Museen schleppten, zieht sich Geschichte wie ein roter – oder in seinem Fall: ein oranger – Faden durch sein Leben: Norman Lippert (32) hat Anglistik/Amerikanistik und Geschichte im Bachelor studiert und sich im Master mit Wirtschafts- und Sozialgeschichte auseinandergesetzt. Heute hat er seine Leidenschaft für Geschichte und Geschichten zum Beruf gemacht und verkauft als freiberuflicher Historiker „historische Dienstleistungen“.
Norman, was machst du eigentlich?
Als freiberuflicher Historiker arbeite ich überwiegend projektbasiert, d. h. habe wechselnde Auftragsgeber, Formate und Themen. Mein Angebot umfasst sämtliche Bereiche, in denen es um die Aufbereitung und Präsentation von Geschichte geht. Dies schließt neben den klassischen Archiv- und Buchprojekten auch Forschungsaufträge und Lektorate mit ein, genauso wie journalistisches Schreiben oder Zeitzeugeninterviews.
Wie bist du zu deiner aktuellen Tätigkeit gekommen?
Akquise! Ohne Akquise ist eine dauerhafte freiberufliche Tätigkeit schlichtweg nicht möglich, denn irgendwann sind auch die bestbezahltesten Projekte abgeschlossen und die eigenen Ersparnisse aufgebraucht.
Doch Akquise muss nicht unbedingt ausschließlich darauf hinauslaufen, wahllos potentielle Kunden anzurufen und die eigenen Dienstleistungen anzupreisen. Eine eigene Internetseite oder die aktive Präsenz in den Sozialen Medien fallen genauso unter den weit interpretierbaren Akquise-Begriff, wie eine gezielte Pressearbeit oder der Besuch von regionalen Netzwerkveranstaltungen bzw. Fachtagungen einschlägiger Verbände.
Der Auftraggeber meines aktuell umfangreichsten Projektes wurde durch einen meiner Artikel in einem regionalen Wirtschaftsmagazin auf mich aufmerksam.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Ein schönes Nebenprodukt des selbstständigen und projektbasierenden Arbeitens ist es, dass es einen regulären Arbeitsalltag in aller Regel nicht gibt. Was jedoch sämtliche Projekte eint, ist das zwingend notwendige Projektmanagement: Aufgaben und Ziele müssen nicht nur formuliert, sondern auch rechtzeitig und vor allem für den Auftraggeber zufriedenstellend umgesetzt werden. Zu den wichtigsten Säulen des meist abwechslungsreichen Alltags gehört es also, die Deadlines im Blick zu behalten.
Was sind die unalltäglichen Highlights deines Jobs?
Im Rahmen meines aktuellen Archivprojektes darf ich regelmäßig hinter die Kulissen gucken, auch in jeden Kellerraum oder Dachboden. Dabei bleiben Überraschungen selten aus: Erst kürzlich habe ich bei einem dieser Streifzüge die Alarmanlage ausgelöst. Zweimal hintereinander.
Was hast du im Studium gelernt, was dir heute noch hilft?
Es ist ein Klischee – welches natürlich auch in jedem Ratgeber „Berufe für Geisteswissenschaftler“ steht – doch zu meinen wichtigsten Aufgaben gehört es, mich schnell in neue Themen einzuarbeiten und die dabei gewonnenen Erkenntnisse allgemein verständlich und nachvollziehbar zu präsentieren. Das geisteswissenschaftliche Studium, mit seinen ellenlangen Literaturlisten, immer wieder zu schreibenden Hausarbeiten oder zu haltenden Referaten, hat hierbei einen entscheidenden Beitrag geleistet.
Darüber hinaus helfen mir die im Geschichtsstudium gesammelten Kenntnisse von Ereignissen, Epochen und Zäsuren zudem, die jeweilige Firmen- oder Verbandsgeschichte in ihrem gesellschaftlichen oder historischen Kontext zu verstehen bzw. die Bedeutung von potenziellen Archivmaterialen besser und vor allem schneller einschätzen zu können.
Welche Fähigkeiten und Kenntnisse findest du für deine Arbeit besonders wichtig?
Zu den wichtigsten Fähigkeiten gehören eine schnelle Auffassungsgabe sowie ein Gespür für den sicheren Umgang mit Menschen und Situationen, vielleicht auch etwas Verhandlungsgeschick.
Doch von entscheidender Bedeutung für den freiberuflichen Erfolg ist es, ein gewisses Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu haben und daraus den Mut zu entwickeln, seine Komfortzone zu verlassen und auch anspruchsvolle oder umfangreiche Projekte anzugehen.
Wenn du zurückblickst auf die Anfänge deines Berufslebens, welchen Tipp würdest du dir selbst geben?
Man kann gar nicht früh genug damit beginnen einschlägige Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen: Warum sich also nicht bereits während des Studiums beim regionalen Geschichtsverein engagieren, Artikel in den lokalen Medien veröffentlichen oder über den Tellerrand hinausschauen und regionale Netzwerkveranstaltungen besuchen?
Vielen Dank an Norman für diesen Einblick in seine ungewöhnliche Arbeit.