Aufgetaucht: Exkursion ins Edersee-Atlantis

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Manchmal im Herbst passiert am schönen Edersee etwas, das besonders das Herz eines jeden Abenteuergeschichten-Junkies und Drei-???-Fans höher schlagen lässt. Auch Historiker, Schatzfinderinnen, Hobby-Botaniker und andere Lebensenthusiasten kommen garantiert auf ihre Kosten. Doch lasst mich kurz ausholen.

Der Edersee ist ein 27 Kilometer langer Stausee in Nordhessen, der vor gut einhundert Jahren angestaut wurde, um die Weser und den Mittellandkanal auch in trockenen Zeiten schiffbar zu halten. Aber das schöne Edertal war damals nicht unbewohnt: Bei der Anstauung des Sees mussten 700 Menschen ihre Heimat verlassen. Ihre Dörfer (Berich, Asel und Bringhausen) wurden größtenteils abgetragen und dann geflutet.

Wenn es seitdem wenig Niederschlag gibt und ein großes Schiff die Weser bei niedrigem Wasserstand befahren will oder eins mit besonders viel Tiefgang vorbeikommt, wird Wasser aus dem See abgelassen. Auf dieser Welle surft dann das Schiff bis zur Nordsee. Wenn das oft genug passiert, tauchen im Herbst die Überreste der Dörfer aus den Fluten des Edersees auf.

Dorfstelle Berich
Dorfstelle Berich

Dann kann man über alte Straßen gehen und zwischen den Grundmauern der untergegangener Höfe und Häuser Berichs schlendern, die sonst am Grund des Sees liegen. Besonders gut erhalten (und bei „Ebbe“ regelmäßig saniert) ist die alte Aseler Brücke, zu der normalerweise Taucher hinuntertauchen, und über die man dann trockenen Fußes gehen kann.

Auch die alten Friedhöfe der drei Dörfer finde ich super interessant: Die Gräber wurden vor der Flutung mit Betonplatten abgedeckt und die Grabsteine umgesiedelt. Die Platten sind inzwischen an einigen Stellen durch die Strömung des Sees unterspült. Ob bald ein alter Schatz zum Vorschein kommt, der vor über einhundert Jahren mit in eins der Gräber gelegt wurde? Da das hier normale Bauerndörfer waren, stehen die Chancen für einen Goldschatz eher schlecht, aber Scherben, rostige Nägel oder alte Münzen findet man oft zwischen den Steinen.

Ein Spaziergang im Edersee-Atlantis ist geheimnisvoll und selbst bei strahlendem Sonnenschein werde ich dabei ein bisschen melancholisch. Wie schwer muss es für die Menschen gewesen sein, ihre Heimat zu verlassen und untergehen zu sehen? Trotzdem war es auch in diesem Jahr eins meiner Herbst-Highlights, auf dem trockenen Grund des Sees an Stellen spazieren zu gehen, über die ich im Normalfall höchstens hinwegschwimmen könnte. Ich bin auch davon beeindruckt, wie schnell der Boden grün geworden ist und wie viele Pflanzen in so kurzer Zeit hier wachsen. Staunend sehe ich jedes Mal hinauf zur Kante, wo bei Vollstau die Wasseroberfläche liegt, und finde so viel Wasser unvorstellbar.

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Eine der letzten Sehenswürdigkeiten, die aus dem See auftaucht, ist übrigens ein Modell der Sperrmauer, an dem damals der Wasserablauf getestet wurde. Das habe ich noch nie gesehen, aber ich behalten den Wasserstand fest im Blick: Bis zum Auftauchen fehlen mir im Moment noch zwei Meter. Davon trennt mich ein großes Schiff auf der Weser. Wenn es doch wieder aufhören würde zu regnen …

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