Als Megans Meer in die Fabrik einzog

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Das Kaikoura Marinezentrum und Aquarium

Von außen sieht das Aquarium aus, wie ein wild zusammengewürfelter Bausatz aus Hausresten und Containern, dem jemand einen bunten Anstrich verpasst hat. Es steht mitten auf dem Pier des kleinen neuseeländischen Küstenortes Kaikoura, der für seine Wale und Delfine bekannt ist. Neben der Eingangstür liegen Muscheln in einem Blumentopf. Betritt man das ehemalige Gebäude einer Krebsfabrik bestätigt sich der erste Eindruck: Alles ein bisschen improvisiert hier. Und selbstgemacht. Hochglanzbecken, Regenwaldlandschaften und exotische Fische im Korallenriff? Fehlanzeige. Dafür wird man von einer jungen Frau mit strahlendem Lächeln begrüßt, die sofort erzählt, was es hier zu entdecken gibt. Spätestens jetzt ist klar: Statt Investor oder Touristenbüro bestimmen hier Leidenschaft und Idealismus die Ausstellung. Und klar ist auch: Es wird schwer sein, dieses Gebäude zu verlassen, ohne etwas mitzunehmen.

Megan Bosch and Octavia, the Octupus.
Megan Bosch und Octavia, der Oktopus.

Diese Frau, die ihr Herzblut in das Kaikoura Marine Centre and Aquarium steckt, ist Megan Bosch. Die Südafrikanerin kam vor ein paar Jahren nach Neuseeland, um Meeresbiologie zu studieren. In Kaikoura arbeitete sie zwei Sommer lang auf einem der Schiffe, mit dem Besucher aufs Meer hinausgefahren werden, um Wale und Pelikane zu beobachten und mit Delfinen zu schwimmen. Bei ihren Touren stellte Megan fest, dass sich viele Gäste nach mehr Informationen sehnen und dass auch viele Einheimische erstaunlich wenig über das Meer direkt vor ihrer Haustür wissen. So kam sie auf die Idee, einen Ort zu schaffen, an dem sie den Menschen die Wunder der Ozeane besser zeigen kann. Die Vision eines Marinezentrums war geboren.

Megan war von der Idee so begeistert, dass sie sofort wusste, dass sie sie auch umsetzen würde: „Ich wusste, ich mache das. Und ich mache das mit 110 Prozent Einsatz. Die Option, dass es nicht passiert, gibt es nicht!“ Und tatsächlich: Ihren Traum verwirklichte Megan im Dezember 2011 mit einer ersten kleinen Ausstellung in einem alten Container, den sie auf den Pier von Kaikoura stellten ließ. Schon gleich zu Beginn kamen die Menschen, um von Megan und den freiwilligen Helfern etwas über das Leben unter Wasser zu erfahren. Neun Monate später zog das Aquarium vom Container in das alte Fabrikgebäude.

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Der Unterwasser-Streichelzoo (Geof Wilson: Touch Pool, CC BY-NC-ND 2.0)

Um den Besuchern die Unterwasserwelt näher zu bringen, gibt es dort nun einen Unterwasser-Streichelzoo: In einem großen Becken mit Seesternen, Seeigeln, Anemonen, Schnecken, Muscheln und Fischen können kleine und große Kinder die Meeresbewohner aus der Nähe bestaunen und sogar anfassen. Anfassen kann man auch die konservierten Reste eines elf Meter langen Riesenkalmars, der in der Nähe von Kaikoura entdeckt wurde und dessen öffentliche Sektion eins der bisherigen wissenschaftlichen Highlights des Zentrums war. „Ich will, dass die Menschen ihn fühlen, anfassen und riechen können“, sagt Megan. „So erinnern sie sich lange daran.“

In anderen Becken tummeln sich Seepferdchen, Langusten und Fische in unterschiedlichen Entwicklungsstufen, Oktopusse und die für diese Region typischen blauen und weißen Paua-Muscheln. Dazu gibt es Schautafeln und selbstgemachte Poster mit jeder Menge Informationen über das Meer und seine Bewohner. Die Aquarien werden direkt mit frischem, ungefiltertem Meerwasser gespeist und sind in den meisten Fällen kahl. Das kann irritierend sein, wenn man Aquarien mit glasklarem Wasser und Pflanzen gewohnt ist. Die meisten der tierischen Bewohner sind jedoch nur zu Besuch im Marinezentrum und werden nach einiger Zeit wieder in die Freiheit entlassen.

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Informationstafeln und der phosphoreszierende Tiefseeraum

Für Megan ist ganz klar, was sie bei ihrer Arbeit antreibt: „Ich möchte Kinder und sogar Erwachsene begeistern und ihnen Dinge zeigen, die sie noch nie gesehen haben. Von der Sicherheit des trockenen Landes aus will ich die Welt des Ozeans für sie öffnen. Hoffentlich wird das mit der Zeit viele neue Meeresschützer hervorbringen, die nie wussten, dass sie den Ozean so sehr lieben.“ Besonderen Wert legt Megan daher auch auf die Arbeit mit örtlichen Schulklassen, die immer wieder ins Aquarium kommen und auch die Ausstellung mitgestalten. „Je mehr sie die marine Umwelt verstehen, desto besser sind die Chancen, dass sie sich auch um sie kümmern können“, sagt Megan voller Überzeugung.

Das wohl Erstaunlichste am Kaikoura Marine Centre and Aquarium ist, dass Megans Konzept, so wie es ist, aufgeht. Das Zentrum hat viele Unterstützer und Helfer unter den Einwohnern des kleinen Küstenortes gefunden. Auch die Besucher sind begeistert. Das Gästebuch ist voll mit begeisterten Einträgen und auch im Internet sind fast alle Reviews positiv. Megans Leidenschaft steckt an und trägt Früchte – ganz ohne Hochglanzbecken und Delfinshow.
Die Ausstellung verändert sich und wächst täglich weiter. Megan hat große Pläne: Das Aquarium soll DAS Informations- und Bildungszentrum für Meereskunde in Neuseeland werden. Auf die Frage, welchen Tipp sie sich rückblickend selbst geben würde, antwortet die Meeresbiologin: „Mir fällt nichts ein, das ich in der Vergangenheit anders oder besser hätte machen sollen. Was ich getan habe, brachte mich dorthin, wo ich heute bin und ich kann es mir nicht anders vorstellen. Von hier wird es nur noch besser und größer.“ Wer Megan begegnet ist weiß, dass das stimmt.

Für alle, die noch mehr wissen wollen:
Das Kaikoura Marine Centre and Aquarium gibt es natürlich auch im Internet und mit Fotos und regelmäßigen Updates bei Facebook. [edit 26.05.2014: Einen Ausschnitt des Interviews mit Megan, in dem sie mehr von ihrem Alltag erzählt, habe ich jetzt auch veröffentlicht.]