Genau wie im letzten Jahr rollte pünktlich zur APE, der Konferenz für Akademisches Publizieren in Europa, eine Kältewelle über die deutsche Hauptstadt. So kämpfte ich mich letzte Woche gemeinsam mit den knapp 250 Teilnehmer (hauptsächlich aus Europa und Nordamerika) tapfer durch Schneematsch und Eisstürme Berlins – was sich stets prima als Small-Talk-Einstieg eignete. Ausreichend mit Heiß- und Kaltgetränken versorgt, widmeten wir uns an zwei bis drei Konferenztagen den aktuellen Themen des wissenschaftlichen Publizierens.
Open Access und Altmetrics: Keine Nischenthemen aus dem Elfenbeinturm
Das Motto der Konferenz war in diesem Jahr „Redefining the Scientific Record“ und so standen die Erschließung und Handhabung der Big Data und alternative Methoden zur Messung der Bedeutung einer Publikation (Altmetrics) im Fokus. Natürlich kommt eine solche Konferenz nicht ohne die Diskussion über den richtigen Weg des Open Access und den dauerhaften Zugang zu digitaler Forschungsliteratur aus. Genau diese Themen sind – etwas anders formuliert – relevant für alles, was mit digitalen Inhalten zu tun hat: Wie sorgen wir dafür, dass unser Content gefunden wird? Wie erhalten wir ihn? Wie halten wir ihn zugänglich? Wie erkennen wir in der Flut aus Informationen Relevantes? Müssen wir Qualität sichern, Inhalte filtern oder löst die Community das alleine? Wie messen wir Impact? Und wie finanzieren wir das alles?
Vorbildlich für die Buchbranche?
Das Spannende an der APE ist für mich die Selbstverständlichkeit, mit der das Digitale in diesem Branchenbereich angekommen ist. Viele der Themen, die in der „normalen“ Publishing-Welt noch fremd erscheinen, sind für viele Profis des wissenschaftlichen Publizierens bereits Alltag: Die Fragen nach Druck und Auflagenhöhe sind ad acta gelegt, stattdessen werden Elemente des Self Publishings selbstverständlich mit Verlagsleistungen kombiniert und die sozialen Netzwerke sind als Kommunikationswege mit der Zielgruppe anerkannt. Auch ist sehr erfreulich, dass Vertreter aller Beteiligten zu Wort und ins Gespräch kommen: Bibliothekare, Verlagis, Dienstleister, Wissenschaftsförderer, Politiker und die Wissenschaftler selbst, die sowohl Zielgruppe als auch Autoren sind; Der Buchhandel hingegen hat sich aus diesem Publishing-Bereich verabschiedet. Es scheint fast so, als hätte Akademia die alte Print-Welt hinter sich gelassen und die Buchdenke überwunden.
Relevante aktuelle Start-ups wurden vorgestellt, Lösungsansätze diskutiert. Die Vorträge wurden gestreamt (hier sind die Videos), der Hashtag wurde bereits vorab kommuniziert, bei der Vorkonferenz waren Referenten per Google Hangouts zugeschaltet. Für eine Veranstaltung, bei der der männliche Dresscode eindeutig „dunkler Anzug“ ist und der Altersdurchschnitt der Teilnehmer über 45 liegt, sind das tolle, innovative Ansätze und Signale, die gerne auch auf andere Konferenzen der Branche überschwappen dürfen. Nicht jede Veranstaltung muss ein Barcamp sein, aber für die Zukunft wünsche ich mir auch für die APE noch ein bisschen mehr Dynamik und mehr Augenhöhe (ganz zu schweigen von einem ordentlichen Caterer).
Unwissenschaftliches Fazit
Allumfassende Lösungen gibt es natürlich auch in dieser schönen neuen Publishing-Welt nicht; Es bleibt viel zu tun und Akademia steckt noch mittendrin im digitalen Wandel. Und vor allem: Die eine Lösung gibt es auch hier nicht. Jede wissenschaftliche Disziplin tickt anders und hat eigene Bedürfnisse. Wir tun gut daran, dem Rechnung zu tragen. Die APE hat auch in diesem Jahr gezeigt, dass sich mit jedem erfolgreich gewagten Schritt des Innovationsweges neue Herausforderungen stellen. Diesen können wir am besten gemeinsam im Austausch miteinander begegnen und dabei ganz nebenbei verhindern, dass wir das Rad aus Versehen dreimal erfinden. Nicht alle können und müssen jeden neuen Weg mitgehen, aber es immer wichtig, die Möglichkeiten zu kennen.