„Bücher verkaufen ist wie Seife verkaufen“ hat ein ehemaliger Vertriebskollege gerne behauptet und ich bin mir bis heute nicht sicher, wie ernst er das meinte. Über die vertrieblichen Aspekte von Seife erlaube ich mir kein Urteil, daher melde ich hier nur meine Zweifel an, dass dem wirklich so ist. Vom Bücherproduzieren verstehe ich aber inzwischen genug, als dass ich weiß, dass es sich grundlegend vom Seifeproduzieren unterscheidet.
Der wichtigste Unterschied ist, dass die „Rohmaterialien“ entscheidend anders sind: Bei Büchern steht an allererster Stelle des Entstehungsprozesses der Autor. Und der ist – glücklicherweise! – ein Mensch und keine Maschine. Wörter sind auch nicht mit Glycerin und Duftstoffen zu vergleichen, die maschinell zu einem Endprodukt verarbeitet werden. Bücher brauchen Zeit und Muße – oder zumindest Zeitdruck und Disziplin.
Es ist Lektoratsalltag, dass sich Manuskriptabgaben verzögern. Dadurch kommen die Produktionspläne durcheinander, Verträge werden nicht eingehalten, Erscheinungstermine verschoben. Im schlimmsten Fall merkt das niemand. Im besten Fall sitzen am anderen Ende der Produktionskette Leser, die auf das angekündigte Buch warten. Die Kollegen aus dem Marketing und Vertrieb fluchen (mehr oder weniger innerlich) und rufen in ihrer Not im Lektorat an. Und dann? Klar können Lektoren immer mal wieder beim Autor anfragen, wo denn das überfällige Manuskript bleibt, aber ich hatte noch nie den Eindruck, dass sich das Buch dadurch auch tatsächlich schneller geschrieben hätte.
Es gibt erstaunlich wenige Autoren, die sich an ihre Deadlines halten können. Auch Ms Rowling ließ ihrerzeit die ganze Welt monatelang auf die neuen Abenteuer von Harry Potter warten. Und auch in diesem Fall lag es wohl nicht am mangelnden Druck, dass das Manuskript nicht fertig wurde. Oft hat die verzögerte Abgabe auch schlicht damit zu tun, dass die wenigsten Autoren vom Schreiben leben können und noch einen anderen Beruf nebenbei haben. Manchmal kommt dann, trotz aller guten Vorsätze, einfach mal das Leben dazwischen. Wir Lektoren verstehen das gut und es ist Teil unseres Jobs, die negativen Konsequenzen der Verzögerungen so gering wie möglich zu halten. Außerdem sind wir ja auch Menschen, keine Maschinen; und froh, dass wir eben keine Seife produzieren.
Dorncritics
Ich finde, das macht Mut :-) Hört man doch viel häufiger, dass Autoren so unter Druck gesetzt werden, dass eben nicht das bestmögliche Buch am Schluss herauskommt. Und das sollte ja eigentlich das Ziel von allen Beteiligten sein. Liebe grüße Anne
sinahar
Danke für deinen Kommentar :)
Allen Beteiligten unterstelle ich, dass sie das bestmögliche Produkt wollen. Dazu gehört auch der optimale Erscheinungstermin. Lektorat ist eine typische Sandwich-Position: man versteht alle Seiten …
wenzelundhuh
Hat dies auf Wuhtext rebloggt.