Frauenfußball – wen interessiert’s?

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In meiner Welt wurde dieser Tage wieder einmal Fußball geschaut. Also selten von mir, ich begeistere mich ja nur mäßig für Zusehsportarten; aber um mich herum musste diese WM genauso ernsthaft verfolgt werden wie die der Männer im letzten Jahr. Und so wurde das Wohnzimmer zum Fußballkino.

Manchmal nahm ich dort auch Platz und musste feststellen, dass niemand mit mir über die Konsistenz von Ruccola witzeln möchte, während die deutsche Mannschaft gegen die schwedische spielt. Also versuchte ich, auch stumm zuzuschauen. Zum ersten Mal seit ewig. Zum ersten Mal den Frauen.

Ich merkte schnell, dass diese Frauen viel mehr Fußball spielten als die Profi-Männer der letzten WM, weil sie sich nicht dauernd so albern zu Boden schmissen und nicht theatralisch liegenblieben. Wenn diese Frauen fielen, standen sie auf und spielten weiter. Sie diskutierten nicht, sie simulierten nicht. Ohne all dieses Rumgememme passierte endlich das, was man wohl „Spielfluss“ nennt – und der machte mir richtig Spaß beim Zusehen. Zumindest für eine Weile.

Diese Spielweise lieferte mir dann auch viel weniger Stoff für dumme Kommentare, mit denen ich mir sonst beim Fußball die Zeit vertreibe. Zur letzten EM hatte ich ein Fußballphrasen-Bullshit-Bingo entwickelt, mit dem ich mich ebenfalls gerne bei Laune gehalten habe. Das war bei dieser WM allerdings völlig unbrauchbar, weil die Kommentator*innen erfreulich wenige Phrasen verwendeten. Dafür musste ich immer mal „Sexismus!“ zwischenrufen. Das werde ich mir bei den Spielen der Männern auch angewöhnen.

Die einzige Werbepause, die ich bei dieser WM im echten Fernsehen gesehen habe (bei den Übertragungen im Internet läuft in den Pausen eine Endlosschleife der besten Spielszenen), war ebenfalls … ähm, interessant. Es fehlten die üblichen Macho-Action-Werbespots. Stattdessen wurden Gebrauchtwagenbörse und Romantikkinoschnulze angepriesen. Ein bisschen verwirrt kamen mir die Zielgruppenanalysten schon vor, aber immerhin gab es nicht die erwartete Tamponwerbung.

Die deutschen Spielerinnen sind im Viertelfinale ausgeschieden. Als ich die anschließenden Interviews sah, freute ich mich darüber, wie sympathisch, wortgewandt und reflektiert die Interviewten waren. Fast würdevoll in ihrer Niederlage. Und während der Spielanalyse merkte ich endlich, wie besonders es für mich immer noch ist, Frauen Fußball spielen zu sehen. Und sie sehen dabei verdammt gut aus: professionell, athletisch, weiblich, selbstbewusst, stilvoll. Und das machte mich ein bisschen stolz: So eine bin ich also. Und ich fragte mich, was wohl aus mir geworden wäre, hätte ich schon früher Frauen so spielen gesehen.

Der siebeneinhalb-jährige Sohn von Freunden, ein großer Fan des Rasensports, wurde neulich gefragt, ob er denn auch Frauenfußball schaue. Da antworte er, dass er natürlich Frauenfußball schaue. Er würde auch Pinguinfußball schauen, wenn es welchen gäbe. Hauptsache Fußball. Diese Einstellung finde ich super! Und so bin ich eigentlich auch, nur anders. Ich langweile mich genauso schnell beim Frauenfußball wie bei jedem anderen Fußball auch. Aber das ist okay. Das ist meine Form der Gleichberechtigung.

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Vielen Dank für das Beitragsbild an Jeff Klugiewicz, Pixabay.