In der Interview-Reihe „Und was wird man damit?“ erzählen GeisteswissenschaftlerInnen, die im Beruf stehen, aus ihrem Arbeitsalltag und was ihnen das Studium tatsächlich gebracht hat.
Julia (34) hat Kunstgeschichte und Germanistik auf Magister studiert und anschließend in Kunstgeschichte promoviert. Nach einem Volontariat arbeitet sie heute im Bereich Personal/Vermittlung eines Museumsverbundes in Norddeutschland. Sie ist stolz darauf, in der gleichen Branche wie Lara Croft und Indiana Jones zu arbeiten: im Kulturbetrieb. Hotpants und Fedora trägt sie dabei allerdings seltener.
Wie bist du zu deinem aktuellen Job gekommen, Julia?
Ich habe mich auf ein ausgeschriebenes Volontariat im Bereich Museumspädagogik beworben und wurde genommen. Da man mich nach Ablauf übernehmen wollte, wurde eine neue Art von Stelle für mich geschaffen, die zur Hälfte Personalaufgaben beinhaltet und zur Hälfte Museumspädagogik.
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Er ist sehr unterschiedlich. Zum Einen habe ich feste Aufgaben, wie es sie in jedem Personalbereich gibt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt erledigt sein müssen, z.B. Abrechnungen machen und Dienstpläne erstellen. Dann gibt es die kreativen Zeiten, wenn ich mit meiner Volontärin zusammen neue Ideen für Aktionstage, Schulprogramme oder neue Führungen aushecke. Drittens gibt es auch Sonderaufgaben, die ich für die Geschäftsleitung erledige, z.B. Beschlussvorlagen für Ausschüsse erstellen.
Was sind die unalltäglichen Highlights deines Jobs?
Das Ergebnis der eigenen (Mit-)Arbeit messbar vor einem zu sehen: eine fertige Ausstellung, ein gelungener Aktionstag, selbst Kleinigkeiten wie ein neuer Programmflyer mit den eigenen Bildern und Ideen darin. Es gibt einem das Gefühl, eine Sache beruhigt abhaken zu können und sich der nächsten zu widmen. Denn: Nach dem Projekt ist ja immer vor dem Projekt.
Was hast du im Studium gelernt, was dir heute noch hilft?
Das Wichtigste ist meines Erachtens die Fähigkeit des eigenständigen Arbeitens. Es geht dabei nicht um Inhalte, sondern um die Kompetenz, sich möglichst schnell in neue Bereiche einzuarbeiten und zu wissen, wie man effektiv Informationen aufbereitet. Um meine Chefin zu zitieren: „Ich muss nicht alles wissen – es reicht, wenn ich weiß, wo ich es finde.“ Rein inhaltlich kommen mir meine germanistischen Kenntnisse und das damit einhergehende Sprachgefühl beim Verfassen von Texten jeglicher Art zugute, seien es Informationstexte für Kinder, Gebrauchsanweisungen für Kassenkräfte oder Drittmittelanträge für Sponsoren. Das kunsthistorische Fachwissen versetzt mich in die Lage, auch mit den Kuratoren „fachzusimpeln“ und auf Augenhöhe mit ihnen zu sprechen – und ernst genommen zu werden.
Welche Fähigkeiten und Kenntnisse findest du für deine Arbeit besonders wichtig?
Der Blicks fürs Ganze. Man mag mir die Frage stellen, was eine promovierte Geisteswissenschaftlerin in einem Sachbearbeitungsbereich zu suchen hat und ob sie dafür nicht völlig überqualifiziert ist. Tatsache ist jedoch, dass gerade administrative Aufgaben einen Blick für alle anderen Bereiche erfordern und nur ein inhaltliches Verständnis viele der täglichen Aufgaben mit ganz anderem Kontext füllt. Auch sind nur so neue Ideen und Verbesserungen in möglicherweise eingefahrenen Prozessen möglich. Daher würde ich jedem Geisteswissenschaftler raten, sich durchaus mit scheinbar stumpfen Dingen wie Excelstatistiken, Vertragsrecht oder Management auseinanderzusetzen. Bereits während meiner Volontärszeit habe ich Aufgaben übernommen, die diese administrative Basis hatten, z.B. Besucherstatistiken zu erstellen. Diese auszuwerten ist nur möglich, wenn man sich inhaltlich auskennt, weiß, welche Ausstellungen wann liefen usw. Dies war auch einer der Gründe, warum ich übernommen wurde: Ich hatte bewiesen, dass ich nicht nur rein inhaltlich arbeiten kann, sondern auch organisatorisch – und beides miteinander verknüpfen kann.
Wenn du zurückblickst auf die Anfänge deines Berufslebens, welchen Tipp würdest du dir selbst geben?
„Mach genau so weiter.“ Jeder scheinbare Umweg, jede vorgeblich vermeidbare Verzögerung, jede verpatzte Prüfung hat ihren Sinn. Alles, was man tut, und sei es Brötchen verkaufen, lehrt einen etwas, das man später erneut dringend brauchen wird – auch wenn man es zuerst nicht für möglich halten sollte. Ich bin heute nur da, wo ich jetzt bin, weil ich alles in meinem eigenen Tempo gemacht habe und mich erst dann entschlossen habe, etwas zu tun, wenn ich voll dahinterstand. Nur wer mit Herzblut bei dem ist, was er tut, wird auch belohnt – und wenn es noch so lange und mühsam scheint.
Fun fact
Während ich diese Interviewfragen beantworte, läuft im Hintergrund eine Quizshow im Fernsehen. Die jungen, hippen Teilnehmer werden ausnahmsweise nicht nach den üblichen Fußballergebnissen oder berühmten Schauspielern gefragt, sondern bekamen soeben die Frage, welcher Philosoph den Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit“ schrieb. Der Saal johlt überrascht, als einer von ihnen wie aus der Pistole geschossen mit „Walter Benjamin“ antwortet und 5.000 Euro einstreicht – und ich johle mit. So viel zum Thema brotlose Kunst!
Vielen Dank für deine offenen Antworten und den Einblick in deinen Arbeitsalltag, liebe Julia!
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Bildnachweis: „Ancient Lady’s Museum #04“ von Marcos Bessa (flickr). CC BY-NC-ND 2.0