Schaukel am Meer

Mein Körper und ich: unsere Liebesgeschichte

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Zu groß, zu dick, zu weiß, zu schief: Wie viele Menschen blicke auch ich zurück auf eine Karriere voller Unzufriedenheit mit meinem Körper. Irgendetwas fand ich immer, dass nicht dem vermeintlichen Idealbild entsprach, dem wir doch alle nachzustreben hatten, irgendetwas, das optimiert oder zumindest kaschiert werden musste. Das nicht sein sollte und durfte, wie es war.

Zusätzlich zu den vermeintlichen äußeren Makeln funktioniert mein Körper auch immer mal wieder nicht so richtig perfekt. Er kommt zu schnell außer Atem, nimmt nicht die Haltung ein, die ich von ihm erwarte oder bringt nicht die Leistung, auf die ich ihn eigentlich hintrainiert habe. Auch bin ich in meinem Leben schon viel zu oft in Lebensgefahr gewesen: mit zu hohen Entzündungswerten, immer mal wieder mit kreativ-spinnendem Blut, in einem sich überschlagendem Auto oder als mir neulich der Bauch aufgeschnitten werden musste.

Inmitten all dieser Unzulänglichkeiten habe ich etwas erkannt: Mein Körper ist in meinem Team! Er hat mich bisher aus jeder Lebensgefahr rausgekämpft. Manchmal funktioniert er nicht so, wie er sollte, aber er gibt immer sein Bestes für mich. Mit jedem Herzschlag versucht er, bestmöglich für mich zu sein und zu werden. Er atmet und pumpt und versorgt mich mein Leben lang, meist unbeachtet, weil er einen verdammt guten Job macht. Er verteidigt und beschützt mich. Er heilt meine Wunden so schnell er kann. Alles was ich tun kann, ist Geduld zu haben und ihn seine Arbeit machen zu lassen.

Spätestens seit ich das verstanden habe, wirklich verstanden habe, muss ich noch nicht mal mehr gnädig sein mit meinem Körper, denn ich finde ihn perfekt. Wie kann ich etwas, dass so für mich und mein Überleben kämpft, nicht lieben?

Aber das Erbe, das ich aus meinem früheren Leben mitschleppe, ist groß. Und immer wieder versucht mich das Außen daran zu erinnern, dass ich eigentlich kein Recht haben, meinen Körper gut genug zu finden. Aber Schönheitsideale sind meinem Körper genauso schnurz, wie sie es uns allen sein sollten. Er weiß, was wirklich wichtig ist und kämpft dafür. Besonders wenn ich glaube, gar keine Kraft mehr zum Kämpfen zu haben.

In diesem Sommer* habe ich fünf neue Narben dazubekommen, die mich an meine Unzulänglichkeit erinnern könnten. Tun sie aber nicht. Ich freue mich über sie. Wenn ich sie sehe oder berühre, denke ich daran, dass ich schon viele Jahre leben durfte, morgens immer erwacht bin und neue Tage geschenkt bekam. Dass ich starke Partner an meiner Seite habe, die für mich kämpfen und mich schützen. Jeden Tag aufs Neue könnte so viel schief gehen und mein Leben vorbei sein. Tut es aber meistens nicht. Oder um es mit den Peanuts zu sagen: „‚Eines Tages werden wir sterben, Snoopy.‘- ‚Ja, aber alle anderen Tage nicht.'“ Daran erinnern mich meine Narben. Sie gehören ab jetzt zu mir und erzählen eine Geschichte. Eine Geschichte vom Leben. Und die Heldengeschichte meines Körpers.

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* Dieser Text stammt aus dem September 2016. Ich musste wohl erst einmal um die ganze Welt reisen, bevor ich mich dazu entschließen konnte, ihn auch zu veröffentlichen. Und um das Titelfoto zu machen, natürlich.