Am 30. November 2015 machte ich am frühen Nachmittag in einem kleinen Park mitten in Lissabon gerade ein Foto von einer mit Bäumen überspannten Sitzgruppe, als mich ein Portugiese ansprach. Ob ich Englisch spreche, wollte er wissen. Vor Taschendieben gewarnt und schon ein paar Mal wegen Selfiesticks angequatscht, guckte ich wohl eher reserviert-misstrauisch als freundlich-interessiert, nickte aber und nuschelte: „I do“. Wenn ich Bäume möge, sagte er, würde er mir empfehlen, in den botanischen Garten da vorne zu gehen; Dort gäbe es noch mehr wunderschöne Bäume. Ich antwortete, dass ich auch schon von dem Garten gehört hätte; Er sei wohl irgendwo da vorne, nicht wahr? Der Mann bejahte und sagte, dass der Garten nur wenige Meter die Straße runter sei, und wies in die ungefähre Richtung. Ich dankte artig für den guten Tipp und der Mann ging seiner Wege.
In Wahrheit hatte ich fünf Minuten vorher entschieden, den botanischen Garten, der tatsächlich auf meiner Liste gestanden hatte, doch nicht zu besuchen, weil ich grade so schön in City-Bummel-Laune zu sein glaubte und am späten Nachmittag noch einen festen Termin hatte. Ich streifte etwas unschlüssig um die Bank mit Bäumen herum, damit der Mann nicht sah, wenn ich seinen Rat ignorierte. Und aus irgendwelchen Gründen* änderte ich dabei meinen Entschluss doch wieder.
Ich machte also einen Abstecher zum botanischen Garten. Und es war großartig dort! Die Bäume sind tatsächlich wunderschön und der Garten an manchen Stellen fast verwunschen. Es hat mir sehr gut getan, zur Ruhe zu kommen, zu staunen, Naturwunder zu entdecken, den Vögeln zuzuhören, nach Blüten Ausschau zu halten und mit den Füßen durchs Laub zu rascheln.
Der Mann verhalf mir mit seinem Mut mich anzusprechen, mit seiner Nächstenliebe zu sehr glücklichen Stunden. Er hat sich vielleicht nicht viel dabei gedacht, nichts erwartet und wird von seiner großen Wirkung wohl niemals erfahren, aber durch dieses kurze Gespräch hat er mindestens meinen restlichen Tag komplett geändert. Ich bin ihm sehr dankbar für den kleinen Tritt.
Das tue ich ab jetzt wieder bewusster und noch öfter: Menschen auf die Schönheiten des Lebens aufmerksam machen. Auf die Tipps von anderen hören. Dem Leben mehr Raum für Überraschungen geben. Glücklich sein.
Seid ihr dabei?
*nämlich: meinen guten Erfahrungen mit den Kiwi-Challenges, meinem Entschluss das Leben immer mal wieder passieren zu lassen und einer Studie zur Wirkung von kurzen Spaziergängen durch die Natur, die ich grad nicht wiederfinde, aber nehmen wir doch solange diese, die ist auch interessant.
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