In der Interview-Reihe „Und was wird man damit?“ erzählen GeisteswissenschaftlerInnen, die im Beruf stehen, aus ihrem Arbeitsalltag und was ihnen das Studium tatsächlich gebracht hat. Heute zu Gast: Christa Goede, Texterin.
Ihr Studium der Politikwissenschaften hat Christa Goede (46) Ende des letzten Jahrtausends mit Diplom abgeschlossen. Anschließend begann sie mit einer Promotion – bis sie feststellte, dass sie die Uni nicht mehr sehen konnte. Heute arbeitet sie als freiberufliche Texterin und Konzeptionerin und beschäftigt sich mit den vielen Möglichkeiten der digitalen Kommunikation. Auch wenn sie keine waschechte Geisteswissenschaftlerin ist, hat Christa uns „Geistis“ Interessantes zu berichten.
Dann erzähl mal, Christa: Wie bist du zu deinem aktuellen Job gekommen?
Meinen Job habe ich mir sozusagen selbst gebacken: Nach einigen Jahren in verschiedenen Werbeagenturen und in Marketingabteilungen großer Unternehmen habe ich mich vor 13 Jahren selbstständig gemacht – ein Schritt, den ich nie bereut habe. Denn nun kann ich endlich selbstverwaltet arbeiten, mich mit Dingen beschäftigen, die mich wirklich interessieren, und meinen eigenen Arbeitsstil verwirklichen. Deshalb antworte ich heute auf die Frage nach meinem Job gerne mit: „Ich arbeite nicht, ich habe den ganzen Tag Spaß!“
Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?
Aufstehen, frühstücken, arbeiten, Mittagspause, arbeiten, Feierabend – also alles sehr gewöhnlich. Doch es gibt auch einige Unterschiede: Ich bestimme selbst, wann ich aufstehe und wann ich mich an den Schreibtisch setze. Oder ob ich überhaupt am Schreibtisch arbeite – denn ich kann ja auch auf dem Balkon, im Coworking-Space oder im Café, beim Radfahren, beim Einkaufen oder sogar beim Duschen arbeiten. Ideen habe ich überall und zu jeder Tageszeit! Ich bestimme auch selbst, ob ich eine lange Mittagspause mache und zum Sport gehe – und dann eben abends länger arbeite. Oder ob ich spontan einen Tag freinehme und mich mit einer Freundin treffe. Wundervoll ist das!
Meine Selbstbestimmung ist mir überhaupt sehr wichtig, denn ich mag zum Beispiel nicht für alle Kunden arbeiten. Als Festangestellte wurde ich aber nie gefragt, ob ich es überhaupt mit mir und meinen Vorstellungen von unserer Gesellschaft vereinbaren kann, das Heuschrecken-Investorprodukt XY in wärmsten Tönen zu betexten. Oder ob ich die französische Atomlobby mit PR-Dienstleistungen beglücken will. Zum Glück kann ich das heute selbst entscheiden!
Es gibt auch persönliche Gründe, warum ich mit manchen Menschen nicht zusammenarbeiten möchte: Ich lege zum Beispiel sehr viel Wert auf einen respektvollen, wertschätzenden Umgang miteinander. Manchmal schreit mein Bauchgefühl schon bei einer ersten Anfrage ganz laut NEIN – ich nehme das mittlerweile sehr ernst und lehne solche Aufträge höflich ab. Zum Glück kann ich mir das heute leisten!
Was sind die unalltäglichen Highlights deines Jobs?
Wenn eine neue Website online geht. Das ist für mich auch nach so vielen Jahren immer noch ein total aufregender Moment, denn ich habe viel Hirnschmalz und Herzblut in das Webkonzept oder in die Texte – oder auch in beides – gesteckt.
Bei meiner Zielgruppe „kleine und mittelständische Unternehmen“ ist dieser Prozess oft sehr aufwendig, denn hier sind ja keine Marketingprofis am Werk. Ich muss also mit viel Fingerspitzengefühl und Geduld wichtige Informationen aus meinen Auftraggebern herauskitzeln – wie zum Beispiel eine Zielgruppendefinition oder den echten Nutzen eines Produkts. Häufig ist es sogar so, dass ich diese Inhalte mit meinen Kunden erarbeite – ein sehr spannender Prozess. Deswegen finde ich es einfach großartig, wenn wir dann gemeinsam die neue Website, die ja sozusagen das Konzentrat aus diesem Prozess ist, ins große, weite Internet entlassen.
Was hast du im Studium gelernt, was dir heute noch hilft?
An der Uni habe ich gelernt zu recherchieren – das ist ungemein wichtig für meinen Job, denn ich muss mich in Nullkommanichts in verschiedene Themen einarbeiten: Am Vormittag schreibe ich eine Pressemitteilung über Qualitätsscans in der Sicherheitsglas-Produktion und am Nachmittag betexte ich die Website einer Achtsamkeits-Trainerin.
Außerdem habe ich an der Uni überhaupt erst gelernt, dass Lernen Spaß machen kann. In der Schule war Lernen für mich meist eine Qual: Ich hatte dort eher das Gefühl, dass ich lauter überflüssiges Zeugs in mein Hirn stopfen soll. Mir wurde immer gesagt, ich bräuchte Mathe fürs Leben – papperlapapp! Analysis brauche ich als Unternehmerin nicht, mit einem schnöden Dreisatz kann ich meine gesamte Buchhaltung erledigen. Und wenn mich heute etwas interessiert, schmeiße ich die Suchmaschine an, fertig.
Welche Fähigkeiten und Kenntnisse findest du für deine Arbeit besonders wichtig?
Das Verständnis für die Metaebene – das große Ganze, das über allen Dingen schwebt. Und das Verständnis für Menschen und die Funktionsweisen von sozialen Gefügen. Meine Kunden profitieren sehr von dieser besonderen Art zu denken, denn ich mache keine Alleingänge, sondern stimme meine Texte und Konzepte auf das gesamte Unternehmen ab. Dabei achte ich auf viele Details, die in den Werbeagenturen, für die ich gearbeitet habe, gerne hinten runter geflogen sind: Wie viel Zeit können meine Auftraggeber in die Pflege Ihrer Website stecken? Haben sie überhaupt eine Affinität zu Social Media und wären mit dem Herzen dabei? Oder gibt es vielleicht Vermarktungswege, die besser zu diesem Kunden passen würden?
Wenn du zurückblickst auf die Anfänge deines Berufslebens, welche Tipps würdest du dir selbst geben?
- Mach dein eigenes Ding.
Denn diese Welt verändert sich so schnell, dass du dich sowieso in regelmäßigen Abständen überprüfen und manchmal sogar neu erfinden musst, um nicht stehen zu bleiben. - Entdecke deine Fähigkeiten.
Denn das Studium ist nicht alles, du kannst ganz bestimmt noch viel mehr, was weder in der Schule noch an der Uni gelehrt wurde. - Sei offen für Neues.
Denn es bringt gar nichts, sich in eine ganz bestimmte Wunschvorstellung zu verbeißen, es kommt sowieso anders. Ganz sicher.
Ich glaube, diese Ratschläge hätten meinem 25-jährigen Ich mehr Selbstvertrauen gegeben und mich damals hoffnungsvoller in meine berufliche Zukunft schauen lassen.
Vielen Dank für deine Antworten, Christa.
Bildnachweis: Christa Goede, Foto von Rebecca Hammer