Die Frankfurter Buchmesse und die großen Emotionen

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Digital wird niemals Analog ersetzen. Das wurde auf der Buchmesse wieder deutlich. Es war ein Fest, all diese wunderbaren Menschen, mit denen ich das Jahr über per Twitter, Facebook und E-Mail in Kontakt stehe, mit denen ich virtuell arbeite oder die mich über ihre Posts an ihrem Leben teilhaben lassen, wieder einmal live zu treffen. Ein sehr herzliches Fest.

Emotionalisieren? Üben wir.

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Buchmesse Frankfurt. Unverkennbar.

Mit dem Emotionalisieren ihrer Produkte tut sich die Branche hingegen immer noch schwer – auch und besonders im Digitalen. Die Herausforderung, E-Books ansprechend und informativ auf einer Messe – und im Buchhandel! – zu repräsentieren, bleibt weiterhin bestehen. Zwar hapert es, trotz guter Vorbilder, auch noch immer am Story Telling, aber einige sehr gute Ideen, vorbildlich organisierte Blogger-Treffen und persönlich gestaltete Mitmachaktionen geben Anlass zur Hoffnung.

Als ein großer internationaler Wissenschaftsverlag ein eigentlich sehr tolles und erfolgreiches Produkt vorstellte, war die Lage hingegen hoffnungs-, weil leidenschaftslos. Stattdessen gab es viel zu viele große Zahlen. Sehr unsexy. Dabei hätte dieses Produkt das Potenzial zu begeistern, eine Geschichte von der weltweit vernetzen Forschung und von Fortschritt zu erzählen. Das ist nicht gelungen. Nicht von ungefähr ist dieser Verlag unter Wissenschaftlern wohl als Geldscheffeler verschrien. Ob er dieses Image los würde, wenn die Mitarbeiter im Story Telling geschult und eine Vision verkaufen würden, statt nur den Zugang zu einer Plattform?

Apropos Zugang: Ich befand mich am Freitag mitten in einer Traube sehr junger Herren, die ungefähr halb so groß waren wie ich und die aufgeregt riefen: „Kulis! Dahinten gibt’s kostenlose Kulis!“ Es ist doch immer wieder schön, wie einfach wir unsere junge Zielgruppe für unsere Produkte begeistern können. Auch an Fachbesuchertagen.

Finnland? Cool! Und poetisch.

Meine Hirn-Poesie und ich
Meine Hirn-Poesie und ich

Mich hat Finnland begeistert, der diesjährige Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Schon allein der Slogan „Finnland. Cool.“ hat mein Herz erwärmt. Der Pavillon strahlte durch die Weite, die Beleuchtung und die runden Raumtrenner tatsächlich Ruhe aus – oder lag das an den eisfarbenen, verdammt leckeren Drinks? Dabei muss man einfach poetisch werden. Nichts leichter als das: mit Brain Poetry. Dafür werden aus den eigenen Hirnströmen durch einen Algorithmus Gedichtzeilen bunt und trotzdem passend zusammengewürfelt [mehr Details]. Klingt kompliziert? Ist es bestimmt auch, aber davon merkte man gar nichts. Nie war poetisieren so einfach.

Dieses Gedicht hat mein Gehirn ausgespuckt:

you have taught
you straightened your hair
I am afraid of their rustling
you the rose or lily
I tell you now c
I arise from dreams oft thee

Viral? Können wir!

Wohl durchdacht statt ausgespuckt, aber trotzdem ansteckend, war der Virenschleuderpreis 2014. Noch in keinem anderen Jahr war ich so von den eingereichten Aktionen begeistert, wie in diesem Jahr. Und in keinem Jahr habe ich so wenig von der eigentlichen Verleihung mitbekommen, weil ich nur vor dem Lesezelt stand und quatschte. Mea culpa. Die Preisträger habe ich aber doch mitbekommen und gratuliere herzlich – zum Preis und zu den erfolgreichen Ideen. [mehr dazu]

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Die Iron Buchblogger und die Frankfurter Buchmesse spenden 400 EUR an Reporter ohne Grenzen. Danke an @buecherkinder für das Foto.

Die Iron Buchblogger haben es – gewiss allein wegen der sehr spontanen Einreichung kurz vor knapp – leider nicht auf die Shortlist des Virenschleuderpreises geschafft. Das hielt uns aber nicht davon ab, beim Iron Buchblogger-Treffen miteinander anzustoßen, zu quatschen, zu lachen und Pläne zu schmieden. Es ist toll zu sehen, wie diese gute Vernetzungsidee wächst und Früchte trägt und wir weiter daran herumspinnen.

Irre? Ein bisschen.

Wenn auch keine totalen Spinner, so sind wir Publishing-Menschen ja schon ein bisschen irre. Egal in welcher Halle. Gepaart mit der Klimaanlagenluft, dem fehlenden Sonnenlicht, der nährstoffarmen Kost und zu viel Kaffee (etc. …) führte das dazu, dass ich am Buchmesse-Samstag die unterhaltsamsten Gespräche geführt habe. Mitten zwischen Open Source-Lösungen, E-Book-Plattformen, Gate Keeper-Fantasien und Social Media-Debatten, stockte die Unterhaltung gerne mal, weil die Gesprächsbeteiligten sich ungläubig anstarrten, stumm die Augenbrauen hochzogen oder ihnen ein „Häh?!?“ entfuhr, auf das gedankenfreie Stille folgte. Diese und all die anderen wunderbaren Begegnungen der Messe nehme ich mit in meinen Alltag.

Zukunft? Auf geht’s!

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Es sind die Menschen. Wie immer.

Obwohl mich die Branchen-Themen nach wie vor interessieren, habe ich befreit festgestellt, dass mich viele der problemschweren Diskussionen zurzeit nicht berühren. Bei Open Access muss ich mir wenig Sorgen um DRM, Verkaufsplattformen und Leistungsschutzrecht machen. Und aufregen über gegebenenfalls fehlende Innovationskraft in den Entscheider-Etagen muss ich mich schon gar nicht. Ich bin in meiner eigenen Zukunft angekommen. Es ist schön zu wissen, dass es einen Haufen kreativer Macher gibt, die die Verlagsbranche in nächster Zeit weiter rocken und verändern werden, während ich mir das interessiert von außen anschaue und mich spätestens bei der nächsten Messe von ihren neuen Ideen begeistern lasse. Ich freu mich drauf!